FMP/FREE MUSIC PRODUCTION - An Edition of Improvised Music 1989-2004

FMP CD 21

Peter Kowald

 

Die Idee zu den DUOS kam mir 1986 nach einem einjährigen New York-Aufenthalt: da waren so viele neue musikalische Bekannt- und Freundschaften entstanden, dass ich davon etwas dokumentiert hören/sehen wollte. Verschiedene Möglichkeiten boten sich an. Ich entschied mich für Duostücke von vier bis fünf Minuten Dauer, bei der zeitlichen Begrenzung der damals noch gängigen Schallplatte also mit zehn Partnerinnen und Partnern. Amerika so weit so gut: nahe lag, die langjährige Zusammenarbeit mit den europäischen Freunden einzubeziehen, mit denen ich nur zum Teil Aufnahmen gemacht hatte, im Duo nie. Und auf vier Japanreisen war es zu Begegnungen mit Leuten des freien Jazz gekommen, dann auch mit Spielern traditioneller japanischer Musik. So wuchs das Projekt zu dem, was es jetzt ist: drei Schallplatten „DUOS EUROPA - AMERICA - JAPAN“ mit je zehn Stücken von im Durchschnitt gut vier Minuten. Und eine CD mit neunzehn Stücken, davon sechzehn alternative Versionen und drei identische Stücke mit denen der Platten. Dabei wurden die alternativen Versionen, wenn es sich um dasselbe Stück/eine ähnliche Struktur handelt, mit demselben Titel und den Ziffern I und II gekennzeichnet; wurde ein neues Stück daraus, hat es auch einen anderen Titel. Die Aufnahmen entstanden in einem Zeitraum von gut sechs Jahren, die erste 1984, die meisten 1986, die letzte 1990.

Manche Stücke sind improvisiert, andere (zum Beispiel vorher im Gespräch) strukturiert, einige wenige komponiert. Improvisiert wurde in dem weitgehenden Sinn, dass beide nicht wussten, was auf uns zukommt, so mit Joëlle, Matsuda, Diamanda, Irène, Tom, Sawai, Derek, Midorikawa und Danny. Strukturiert wurden die Stücke mit Evan, Conny erster Teil, Andrew, Sakata, Kono, Brötzmann, Floros, Han und Junko Handa in der Weise, dass Ideen/Klänge/Melodien mit Worten oder durch gegenseitiges Vorspielen als Vorgaben für die Improvisation genommen wurde (etwas, das strukturierte Improvisation heißen könnte). Komponiert ist Weniges: die an den ersten Teil angehängte Melodie von Conny Bauer in „Bein auf Stein“ und „In These Last Days“ von Jeanne Lee. Wohl auch der lange Mittelteil in „Power Without Power II“ von Junko Handa, ein vermutlich feststehende Melodie. Die Methode des Zusammen-Improvisierens, wie sie seit den sechziger Jahren von einem Kreis von Musikern in Europa, USA und Japan (seither auch an anderen Stellen der Welt) angewendet wird, arbeitet nicht immer mit denselben Voraussetzungen: manchmal kennt man sich so gut wie in unserem Fall zum Beispiel Brötzmann, Irène und Evan seit über zwanzig Jahren, andere weniger gut oder gar nicht. Wir alle arbeiten mit Routinen (im guten wie im schlechten Sinn), die wir immer wieder überprüfen, verändern, erweitern und beim Zusammenspielen neu in Beziehung setzen. Durch unsere Erfahrung und gemeinsame Methode können wir auch zusammenspielen, wenn wir uns überhaupt nicht kennen (hier mit Matsuda, Galas, Sakata, Kono, Sawai). Ein Sonderfall ist Junko Handa, die traditionelle Musik spielt und in unserem Sinne nicht Improvisatorin ist, sich aber soweit geöffnet hat, dass wir unsere verschiedenen Voraussetzungen zusammenwerfen konnten.

Im allgemeinen ist der Bass gleichwertiger Partner, doch tritt er manchmal in seine traditionelle Funktion als Begleiter zurück wie die Basslinie in „In These Last Days“, die Orgelpunkte mit Galas und Matsuda oder meine immer wieder gern benutzte Routine der gestrichenen Oktave mit tiefem Singen (hier mit Cyrille, Handa und Mazur), die ich so gern und oft spiele, dass sie schon fast eine feste Komposition ist. Überhaupt bleibe ich bei manchen Stücken eher im Hintergrund – spiele ich doch auf jedem Stück, und die PartnerInnen nur einmal. Die Aufnahmen entstanden auf verschiedene Weise. die erste (mit Kosugi 1984, als es die DUOS als Idee noch gar nicht gab) und die letzte (mit Julius Hemphill 1990) sind Ausschnitte aus Live-Konzerten in der Akademie der Künste Berlin, live auch die Aufnahmen mit Irène und Joëlle im FMP Studio. Alle anderen sind – für dieses Projekt geplant – in Studios ohne Publikum aufgenommen.

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