FMP/FREE MUSIC PRODUCTION - An Edition of Improvised Music 1989-2004

FMP CD 64

Peter Brötzmann

 

..., AND SOMEBODY, JUST SOMEBODY, PLEASE, LISTEN!

VIELE haben ihm nicht zugehört, umstritten war er bis zum Ende seines kurzen Lebens. Vor allem Kritiker und Programmmacher wussten meistens nichts mit ihm anzufangen. Das Publikum, besonders in Europa, liebte ihn.

MUSIC IS THE HEALING FORCE OF THE UNIVERSE
... er hat daran geglaubt.

Vom Glauben zur Vision war nur ein kurzer Schritt von der Vision zur Realität ein Sprung in den East River. Wenn auch noch so kurz, ist sein Leben doch beispielhaft und vor allem sein Tod ein gar nicht so ungewöhnliches Zeugnis für die alltäglichen Depressionen, denen ein Spieler "unverkäuflicher Musik" - so sein Freund und Mitstreiter Charles Tyler - in den USA, besonders in New York ausgesetzt ist. Sicherlich, die Wertschätzung, die ihm in Europa entgegenschlug, hat ihm gut getan. Dann aber, zurück in New York, kamen die Depressionen wieder. (Ein Jahr vor seinem Tod musste er seinen Bruder Donald ins Irrenhaus bringen).

Von Beginn an dokumentieren die Titel seiner Stücke die Sehnsucht nach einer anderen, besseren Welt: Spiritual Unity / Ghosts / Truth is Marching In / Universal Message / Holy Family / Our Prayer / Spirits Rejoice ... er meinte es ernst.

In den letzten Jahren wurde die Diskrepanz zwischen Wollen und Sein immer deutlicher: Hier der Versuch, die Musik zu öffnen für alle, jeden teilhaben zu lassen an seiner Erfahrung, seiner wilden Energie, seiner Liebe, jedem ein Stück seiner Phantasie abzugeben.

Dort die Repression, die Armut mit sich bringt. Lustlos wurden Ende der 60er Jahre die letzten 3 Platten eingespielt - zurück zum Soul, Rhythm and Blues, garniert mit äußerst banalen Texten, auf Druck der Plattenfirma. Erfolgreich wurden sie nicht.

Nach seinem Konzert im Juli 1970 in Frankreich konnte man aufatmen: Er war wieder da, mit all seiner Leidenschaft und Überzeugungskraft. Vier Monate später wurde er aus dem East River gefischt.

"Es ist spät geworden für die Welt. Und wenn es mir gelingt, Leute zu neuen Ebenen des Friedens und des Verstehens zu erheben, so denke ich, dass mein Leben als spiritueller Künstler lebenswert gewesen ist."
Albert Ayler, 1966

Der Gedanke, meiner Liebe und Bewunderung zu Albert Ayler- Mann und Musik - Ausdruck in einem musikalischen Statement zu geben, ist ziemlich alt. Gleichzeitig, unabhängig und nicht wissend voneinander hatten wir beide - jeder in seiner Kultur- Ähnliches, fast Gleiches versucht. Ich hatte in den letzten Jahren die Freude und Ehre mit Milford Graves, dem Freund und Trommler, der Albert Ayler die letzten Monate seines Lebens zur Seite gestanden hat, zu arbeiten - meistens zusammen mit William Parker. Da Milford ungern reist, musste ich auf ihn verzichten. Vor etwa zwei Jahren brachte mich die Vorsehung mit Hamid Drake, dem Trommler aus Chicago, zusammen, der hier in Europa durch seine Arbeit mit Don Cherry und Jim Pepper bekannt ist. Ich wusste, das ist der Trommler, den ich für das geplante Quartett brauchte. Toshinori Kondo, dem ich ja durch die Arbeit mit der März-Combo wieder näher gekommen bin, empfahl sich als der richtige Trompeter. William Parker, Bass, der langjährige Mitstreiter Cecil Taylors, aber auch meiner seit etwa 10 Jahren, war allein schon durch seine Arbeit mit Milford Graves prädestiniert. Dazu kommt, dass das öffentliche Interesse an Albert Ayler in den letzten Jahren gewachsen ist, so dass wir uns an das Unternehmen gewagt haben.

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