FMP im Rückblick

Bernd Mehlitz (2010)

Den musst Du Dir merken!

Erinnerung an die Zusammenarbeit mit Jost Gebers

„…. den Saxophonisten ganz rechts Außen, den musst du dir merken, guter Mann. Und von den Kompositionen ist die von Arndt ok, macht richtig Alarm zu Beginn, in der Mitte eher dünn, aber am Schluss geht’s noch mal richtig los.“ Kommentar von Jost Gebers, der für einen Augenblick, in der einen Hand die Roth-Händle in der anderen das Weinglas, im Quartier Latin neben mich trat, um danach sofort wieder seinen Platz an der Theke einzunehmen. Einen Augenblick, den ich Heute nach mehr als einem viertel Jahrhundert nicht vergessen habe.

Wir, die Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten, hatten Kompositions-Stipendien an in Berlin lebende und arbeitende Jazzmusiker vergeben und präsentierten nun in einem Konzert im Quartier die Ergebnisse. Der Saal war voll, die Stimmung beim Publikum gut, wir die Senatsbürokraten zufrieden über eine gelungene Fördermaßnahme. Und dann der Gebers, reduziert es auf einen minimalen Qualitätsstandart, der aber die Wirklichkeit schmerzhaft beschreibt. Nie habe ich ihn anders erlebt, gnadenlos kompromisslos aber genauso für seine Sache engagiert.

Jost Gebers war einer der ersten Gesprächspartner, als ich im Herbst 1979 meine Tätigkeit in der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten als Referent für die Förderung Freier Gruppen begann. Man hatte auch über Gebers als Mitarbeiter für diese Tätigkeit nachgedacht, sich dann aber für mich entschieden. Und nun saß er vor mir, um herauszufinden, wie denn dieser Typ tickt und ob er auch brauchbar für die Belange der FMP ist. Der Typ, der Jazzkonzerte besuchte, aber beim Free Jazz eher den Weg nach draußen suchte, um eine Zigarette zu rauchen. Doch Gebers beeindruckte mich schon beim ersten Gespräch, wie er immer wieder wie beiläufig zu unterscheiden wusste zwischen dem großen vielfältigen Angeboten in Berlin und den künstlerischen Besonderheiten und unverwechselbaren Ausdruckformen. Aus diesem ersten Kontakt wurden 25 Jahre immer erneuter Begegnungen und vieler realisierter Projekte.

Frei improvisierter Jazz, mit der Behauptung: Berliner Ausdrucksform des internationalen Jazz zu sein und damit die Beschreibung der FMP als Unikat, ebnete durchaus den Zugang in der Politik zu finanziellen Förderungen. Aber es war auch ein immer wiederkehrender Kampf, ein kulturelles Angebot einer Minderheit zu erhalten. Zum Beispiel das Total Music Meeting, bis 1988 eine Ergänzung des zentralen Berliner Jazz-Festes, dann aber von den Machern als lästig empfunden, weil mit Kosten verbunden, musste gesichert werden und es bedeutete viel Verwaltungsgeschick, um die Finanzierung zu gewährleisten.

Jost Gebers hatte sich inzwischen offensichtlich an eine Arbeitsteilung zwischen sich - der FMP - und den „Beamten“ gewöhnt: er benannte die finanziellen und organisatorischen Probleme als zu lösende Aufgaben für die Verwaltung und produzierte selbst neue künstlerische Inhalte. Der Charlottenburger Sozialarbeiter Gebers wusste jedoch als Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes durchaus um die organisatorischen und finanziellen Möglichkeiten und Grenzen, die uns zur Verfügung standen.

Gebers, der auch beharrlich an Projekten arbeitete, deren Umsetzung oft schwer vermittelbar waren: z. B. eine Dokumentation über ein Projekt während des Kulturhauptstadtjahres 1988, Cecil Taylor in Berlin. Am Ende wurde daraus eine Box mit Buch und 11 CDs, weil Gebers alles was Taylor dem Piano entlockte dokumentiert hatte. Ich hatte gelernt, dass frei improvisierter Jazz, die spontane Eingebung des Augenblicks, seinen wirklichen Wert erst erfährt, wenn jemand da ist, der dies akribisch dokumentiert.

Das ein Gedankenaustausch auch Folgen haben kann, erinnere ich mich im Zusammenhang an die Bemerkung von Gebers, wie toll es wäre mal länger die „Urzelle“ des Free Jazz , Cecil Taylor, in Berlin zu haben. Als beratendes Mitglied nahm ich an den Sitzungen der Jury für die Auswahl der Stipendiaten des DAAD in Berlin teil und es gab noch Spielraum für eine Einladung: „Der Jazzpianist Cecil Taylor würde eine Einladung annehmen“ behauptete ich, und er wurde 1990 eingeladen.

Wenn etwas für mich aus der Begegnung mit Jost Gebers geblieben ist, dann die Erinnerung an mehrere unverwechselbare öffentliche Musikangebote in Berlin, seien es die Konzerte im Rathaus Charlottenburg, die Studiokonzerte im Wedding oder auch 1991 der Programmablauf des ungewöhnlichen Total Music Meeting im Podewil – anscheinend total unorganisiert und dann doch sich zu einem Ganzen fügend – .

Aber er hat mir auch vermittelt, wie genau man hinsehen, hinhören muss, um zu unterscheiden zwischen behauptetem Anspruch und tatsächlichem Vermögen.

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