Sven-Åke Johansson
28. 11. 1943, Mariestad – 15.06. 2025, Berlin
FMP-Publishing trauert um Sven-Åke Johansson, der bereits vor der Gründung von FMP mit ihren Musikern, wie Alexander von Schlippenbach, Manfred Schoof und Peter Brötzmann, verbunden war.

Sven-Åke Johansson, Total Music Meeting, 1997, Foto: Dagmar Gebers / FMP-Publishing

Sven-Åke Johansson, Total Music Meeting, 1997, Foto: Dagmar Gebers / FMP-Publishing

Sven-Åke Johansson, Total Music Meeting, 1997, Foto: Dagmar Gebers / FMP-Publishing
Trauerrede für Sven-Åke Johansson am 11.07.2025
Matthias Osterwold
Liebe Trauernde, liebe Teresa, liebe Alma, lieber Alban (Du kannst leider nur virtuell bei uns sein, weil Du da unten in Australien lebst derzeit), liebe Lovisa, liebe Claudia, liebe Lilli, liebe Angehörige, liebe Freunde und Freundinnen, liebe Weggefährten und Bewunderer, liebe Alle!
Sven-Åke Johansson lebt nicht mehr. Sven-Åke ist am 15. Juni, an einem sonnigen Sonntagnachmittag, umgeben von seiner lieben Frau Teresa und den engen Freunden Joël und Franziska friedlich gestorben. Wir sind zusammengekommen, um uns auf dem schönen Dorotheenstädtischen Friedhof von ihm zu verabschieden. Dass Sven-Åke hier seinen letzten Ruheort findet, so wie er es sich gewünscht hat, verdanken wir dem Wohlwollen des Evangelischen Friedhofsverbands Berlin Mitte und manchen freundlichen Fürsprechern.
Sven-Åke hat mit der für ihn so typischen Zähigkeit und Unnachgiebigkeit, aber auch mit Selbstvertrauen, Gelassenheit und Geduld mehr als drei Jahre einer bösartigen Krankheit, die nur eine Richtung kennt, Stand gehalten. Dabei wurde er fürsorglich begleitet und betreut von Dir, liebe Teresa, unterstützt von und im Kontakt mit vielen Freunden. Bis zum Schluss seines Lebens ist Sven-Åke schöpferisch aktiv geblieben, trotz zunehmender körperlicher Einschränkungen und unerträglicher werdender Schmerzen. Selbst in den allerletzten Tagen stand er mit großer Mühe noch aus dem Bett auf und setzte sich im lichten, hellen Krankenzimmer der Wohnung an den Tisch, um mit dem Blick aus dem Fenster zu zeichnen, mit den weichen, kurzen Bleistiften, die er so mochte – Vögel, Tiere, Landschaften, Bäume.
Am Ende hat der Tod seine skandalöse Pflicht getan. Was dahinter ist, übersteigt unser Wissen. Sven-Åke und Teresa haben über seinen Satz „Dies ist Dies und Das ist Das und das Gegenüber von Dies, ist das Paradies“ gerne schmunzelnd und witzelnd „philosophiert“. Es ist nicht unbedingt wahrscheinlich, dass Sven-Åke uns hören kann. Aber doch ist gewiss, dass er lebendig ist in unseren Erinnerungen, in unseren Sinnen, in unseren Augen und Ohren. In unseren Herzen. Und deshalb wollen wir heute seinen wunderbar originellen Geist, seinen Spirit aufrufen und feiern.
Lieber Sven-Åke,
Du „Alter Schwede“, Du ewig jung gebliebener „Alter Schwede“, Du, der Du aus der behaglichen mittelschwedischen Kleinstadt Mariestad, wo Du in der örtlichen Blaskapelle die Trommel gerührt hast, in den 1960er Jahren aufgebrochen bist in das wild pochende, pulsierende Herz Mitteleuropas, über Paris, Wuppertal, Köln schließlich 1968 nach Berlin einwandernd, um den radikalen Impuls des Free Jazz, der befreiten Musik der nordamerikanischen Schwarzen, in europäisches Idiom zu übersetzen. Aber Du hast Dich nie vereinnahmen lassen vom eingeschworenen Stamme der Free Jazzer, sondern Du bist aufgebrochen in andere Regionen, die Dir Dadaisten, Fluxisten, Surrealisten, Arte Poveristen, Maler, Schreiber und Musikerkollegen aus anderen Ecken gewiesen haben. Dauernd hast Du Dich im Austausch mit den anderen Künsten erneuert, und doch blieb Deine Handschrift und Haltung immer klar und deutlich erkennbar.
Lieber Sven-Åke,
Du lässiger Schlagzeuger in der traditionellen Griffhaltung, Du genau zuhörender, ingeniöser Komponist der klingenden Dinge des Alltags, Du lakonischer Präzisionsperformer, Du charmanter Laien-Sänger amerikanischer Standards (by the way: „Night & Day“, Deine Swing-Band mit Rüdiger Carl, Alex von Schlippenbach und Jay Oliver ist unübertrefflich gewesen), Sven-Åke, Du treuer Schlingerlandmann, Du Quetschkommodiant, Du Schuhspannerklopper, Du Gurkenschneider, Du Beckenwerfer, Du Erbsenscharfschütze, Du, der Du die inzwischen ausgestorbenen Telefonbücher zum klingenden Leben erweckt hast, Du Brotdosenfetischist, Du Eierschneiderharfenist, Du Schaum- und Presspappenschläger, Du Kartonagengroßsinfoniker, Du obsessiver Dirigent alter Traktorenchöre und Initiator neuer Anti-Marschkapellen, Du, der Du dem geheimen Liebesleben von Harke und Spaten nachgegangen bist, Du deutscher Dichter spontaner Wortfindungen, Du Zeichner mit den mittels schmaler Metallkappen verlängerten weichen Stummelbleistiften, Du Designer formschöner Lampen aus denaturierten Plastikkanistern!
Lieber Sven-Åke,
Du warst – wenn es denn so etwas überhaupt geben kann – ein pedantischer Anarchist oder, wie man es nehmen will, ein anarchistischer Pedant. Du warst ein unglaublich scharfer und genauer Performer, ein nimmermüder Anreger unerhörter, utopischer Projekte. Du warst ein Brückenbauer zu den anderen Sparten, zur Bildenden Kunst, zu den Malern, zu den Szenikern und Filmemachern, zu den Musikern im Osten und Norden, und besonders auch zu den jungen Musikern mit ihren ganz anders gearteten Ideen und Verfahrensweisen, deren Nähe Du gesucht hast, um es Dir nicht zu bequem zu machen im Bewährten und Erprobten.
Lieber Sven-Åke,
Du bist das Ideal eines selbsterfundenen Universalkünstlers. Und Du warst der Prototyp eines stets penibel gekleideten Gentleman in Hut und Mantel, Schal und Anzug, Hosenträgern und braunen Lederschuhen.
Vor Dir verbeugen wir uns, machen einen Diener, in Liebe, Freundschaft und Verehrung. Du bleibst lebendig in unseren Augen und Ohren, Sinnen und Erinnerungen. In unseren Herzen. Das ist versprochen! Du fehlst.
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